Was trägt in schweren Zeiten?

In der Geschichte „Die Maus Frederick“, sammeln die Mäuse Körner und Nüsse als Proviant für den Winter. Frederick dagegen fängt den Sonnenschein ein und sammelt Farben und Wörter. Im Hospiz lerne ich Menschen kennen, die Lebensfreude ausstrahlen, obwohl das Ende ihres Lebens bevorsteht. Sie sind keineswegs immerfort mit schweren Gedanken an Krankheit, an Sterben und Tod beschäftigt. Vielmehr erlebe ich sie offen und interessiert am Wohl ihrer Mitmenschen und an den Geschehnissen in der Welt. Nach dem Geheimnis ihrer positiven Haltung im Angesicht des nahenden Todes gefragt, geben sie oft die Antwort: „Ich hatte ein schönes Leben und davon zehre ich.“ Dankbar erzählen sie von glücklichen Zeiten und von Menschen, die ihr Leben bereichert haben. Vieles ist in Fotoalben festgehalten. Im gemeinsamen Anschauen der Fotos tauche ich mit ihnen in lebhafte Erinnerungen und in einen Reichtum gesammelter Lebensschätze ein.
Manche sprechen von hilfreichen Begegnungen mit Gott. Ich darf an schönen Reiseerlebnissen und unvergesslichen Festen teilhaben. Die Erinnerungen der Kranken führen mich in Fußballstadien, Konzertsäle und Museen, und ich höre von erbaulichen Momenten in der Natur. Im Rückblick auf schöne Zeiten wird dem Sterbenden das Schwere leichter und ist für eine Weile sogar ganz vergessen.
Auch wenn Ihnen und mir der Tod hoffentlich noch nicht unmittelbar bevorsteht, können wir durch Krisen erschüttert werden. Auf welche inneren Schätze können wir dann zurückgreifen? Was gibt uns Halt, wenn das Leben aus dem Gleichgewicht geraten ist? Haben wir Sonnenstrahlen eingefangen und Farben und Wörter gesammelt? Ich fühle mich in schweren Zeiten von biblischen Worten getragen wie zum Beispiel diesen aus dem Psalm 27: „Der Herr ist die Kraft meines Lebens. Wovor sollte ich mich fürchten?“
Was sind für Sie Sonnenstrahlen, Farben und Wörter, die Ihnen helfen, gut durch den (Lebens-) Winter zu kommen?

Von Monika Schwietzer (Palliative Care-Fachkraft im stationären Hospizdienst)